„I’m dreaming of a White Christmas…“

Warum der Traum der weißen Weihnachten bei Vielen so tief verankert ist

Weihnachten ohne Schnee? Für viele kaum vorstellbar. Bilder von verschneiten Landschaften, eisblauen Seen und funkelnden Eiszapfen gehören für viele Menschen zur Vorstellung eines perfekten Weihnachtsfestes. Diese idyllische Kulisse prägt nicht nur unsere Wunschvorstellungen, sondern auch das, was uns Medien, Musik und Literatur seit Jahrhunderten überliefern. Doch woher kommt eigentlich der Mythos der Weißen Weihnacht, und warum übt er bis heute eine solche Faszination aus?

Die Geschichte des Mythos ist nicht so alt, wie man vielleicht denken könnte. Tatsächlich wurde die Vorstellung einer weißen Weihnacht im 19. Jahrhundert populär, als das Weihnachtsfest an Bedeutung gewann und sich die Gesellschaft zunehmend mit dem Christkind, dem Weihnachtsbaum und eben auch mit Schnee zur Weihnachtszeit identifizierte. Lange bevor es jedoch diesen Mythos gab, hatten Menschen andere Bilder vom Weihnachtsfest. In vielen Teilen Europas, wo es seltener Schnee gab, hatte Weihnachten eine ganz andere Symbolik. Doch die weiße Weihnacht setzte sich durch – dank neuer kultureller Entwicklungen und massenhafter medialer Verbreitung.

Die Sehnsucht nach einer weißen Weihnacht

Der Mythos der Weißen Weihnacht hat seine Wurzeln in der Romantik, jener Epoche, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begann und einen tiefen Einfluss auf das Denken und Fühlen vieler Menschen hatte. Romantische Künstler und Schriftsteller idealisierten die Natur und schufen eine Sehnsuchtswelt, die vor allem in den Wintermonaten von Schnee, Kälte und Wärme durch das Zusammensein geprägt war. Diese Bilder zogen die Menschen in ihren Bann, insbesondere in Nordeuropa und Nordamerika, wo Winter mit Schnee und Eis ohnehin fest zum Leben gehörten. Hier entwickelte sich eine starke Verknüpfung zwischen Weihnachten und winterlichen Landschaften.

In der Literatur finden sich viele Beispiele dafür, wie der Winter und Weihnachten miteinander verschmelzen. Charles Dickens' „A Christmas Carol“ ist eines der bekanntesten Werke, das diese Stimmung einfängt. Der Protagonist Ebenezer Scrooge erlebt Weihnachten in einer verschneiten Londoner Landschaft, was das Gefühl von Kälte, aber auch von Hoffnung und Erlösung verstärkt. Dickens' Erzählung, die 1843 erstmals erschien, trug maßgeblich dazu bei, dass die weiße Weihnacht als Symbol von Reinheit, Neuanfang und Frieden in die westliche Kultur Einzug hielt.

Die Faszination für Schnee in Verbindung mit Weihnachten hat jedoch nicht nur literarische Wurzeln. Ein weiteres prägendes Beispiel ist das Lied „White Christmas“ von Irving Berlin. Es wurde erstmals 1942 von Bing Crosby gesungen und ist bis heute das meistverkaufte Weihnachtslied aller Zeiten. Das Lied drückt die Sehnsucht nach einer „weißen Weihnacht“ in Zeiten des Zweiten Weltkriegs aus, als Soldaten und ihre Familien auf der ganzen Welt voneinander getrennt waren. Der Text beschwört das Bild einer friedlichen, verschneiten Weihnachtszeit herauf – ein Ort, an dem alle Sorgen und Ängste verschwinden.

Warum Schnee uns beruhigt

Schnee ist in vielen Kulturen ein Symbol der Reinheit und des Neubeginns. In der Psychologie spricht man davon, dass weiße Landschaften Ruhe und Geborgenheit vermitteln. Der Anblick von Schnee hat eine beruhigende Wirkung auf das menschliche Gehirn, da er die Umgebung harmonisch und „aufgeräumt“ erscheinen lässt. In der Weihnachtszeit, die oft mit Stress und Hektik verbunden ist, scheint die Vorstellung einer weißen Weihnacht also wie ein Wunsch nach innerem Frieden und Ruhe.

Diese Sehnsucht spiegelt sich auch in zahlreichen Filmen wider. „Kevin – Allein zu Haus“ ist ein Beispiel für eine moderne Weihnachtsgeschichte, in der der Schnee eine zentrale Rolle spielt. Die verschneiten Landschaften verstärken das Gefühl von Isolation, aber auch von Geborgenheit, während der junge Kevin in einem winterlichen Vorort von Chicago auf sich allein gestellt ist. Der Kontrast zwischen der eisigen Kälte draußen und der Wärme der Familie, die er sich zurückwünscht, verleiht dem Film seine emotionale Tiefe.

Ein weiteres Beispiel ist der Film „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“, der vor allem in Deutschland und Tschechien zu Weihnachten ein Kultklassiker ist. Hier bildet die verschneite Landschaft den perfekten Rahmen für eine Märchenerzählung, in der Magie, Sehnsucht und Liebe im Mittelpunkt stehen. Auch in diesem Film spielt der Schnee eine doppelte Rolle: Er ist einerseits eine Bedrohung, die das Leben im Winter erschwert, andererseits symbolisiert er eine zauberhafte Atmosphäre, in der Wünsche in Erfüllung gehen können.

Von der Realität eingeholt

Die Tatsache, dass der Mythos der weißen Weihnacht so fest in unseren Köpfen verankert ist, steht jedoch im krassen Gegensatz zur meteorologischen Wirklichkeit. In vielen Regionen Europas, besonders in Deutschland, sind schneereiche Weihnachten mittlerweile eine Seltenheit. Der Deutsche Wetterdienst hat in mehreren Studien gezeigt, dass es in vielen Teilen Deutschlands nur alle fünf bis zehn Jahre tatsächlich zu einer weißen Weihnacht kommt. In den letzten Jahrzehnten hat sich durch den Klimawandel die Wahrscheinlichkeit auf weiße Weihnachten weiter verringert. Dennoch hält sich der Mythos hartnäckig – und viele Menschen hoffen jedes Jahr aufs Neue, dass sie an Heiligabend von einer weißen Pracht überrascht werden.

Weiße Weihnachten in Oldenburg?

In den vergangenen 100 Jahren gab es in der Oldenburg nur dreizehn weiße Weihnachten, genauer gesagt in den Jahren 1906, 1923, 1938, 1956, 1962, 1963, 1964, 1970, 1981, 1986, 2000, 2009 und zuletzt im Jahr 2010.

Natürlich ist es noch sehr früh, eine standfeste Prognose für Weiße Weihnachten 2025 in Oldenburg abzugeben. Wettermodelle können so früh im Voraus nur Schätzungen auf Grund der Wetterdaten der letzten Jahrzehnte abgeben. Danach sieht es nicht so rosig aus. Der 100-jährige Kalender des Oberfränkischen Abtes Mauritius Knauer (1613–1664) macht jedoch Hoffnung auf weiße Weihnachten 2025. Ab Mitte November soll es schneien. Der Deutsche Wetterdienst sagt aber, dass der Kalender aus Zufallstreffern besteht und nicht wirklich ernst zu nehmen ist. Wie es dann tatsächlich ist, bleibt abzuwarten. Schauen Sie aus dem Fenster und vielleicht freuen Sie sich ja in diesem Jahr über die weiße Pracht.

Von Andreas Unterberg